Mit „RMS Goethe“ von Bingen nach Koblenz

Bei unterstrichenen Textpassagen handelt es sich um Links zu fremden Webseiten mit weiterführenden Informationen, die in einem neuen Tab deines Browsers geöffnet werden.


Mittwoch, 15.06.2022

Die „RMS Goethe“ ist ein über Schaufelräder angetriebenes Fahrgastschiff der „Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschifffahrt“ und ist von April bis Oktober zwischen Koblenz und Rüdesheim im Linienverkehr eingesetzt. Sie wurde 1913 als letztes Schiff seiner Art gebaut und 1995 komplett saniert.

Nachdem 2008 die Dampfmaschine ihren Dienst quittierte, wurde auf dieselhydraulischen Antrieb umgerüstet. Die denkmalgeschützte Dampfmaschine ist im Kölner Stadtmuseum zu besichtigen.

1945 von amerikanischen Tieffliegern vor Oberwinter versenkt und erst 1952 wieder gehoben, kann das Schiff auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Aufgrund eines Eisenbahnstreiks übernahm die Köln-Düsseldorfer 1923 für ein paar Monate die Postbeförderung zwischen Ludwigshafen und Xanten und darf sich seitdem „RMS“ = „Royal Mail Ship’’ nennen.

Heute werden es mehr als 30 Grad. Robert ist in Spanien unterwegs, auf dem Jakobsweg. Vor ein paar Tagen kam er an seinem Ziel Finisterre an, hat ein Beweisfoto gepostet. Nun ist er auf dem Rückweg, wird aber noch eine Weile benötigen.

Ich entschließe mich, heute nach Bingen zu fahren und auf der Nostalgie-Route der „Goethe“ zurück nach Koblenz. Da ich alleine fahre, kommt der Preisvorteil „Zwei zum Preis von Einem“, den die KD für Radfahrer dienstags und donnerstags anbietet, nicht zur Anwendung. So kann ich mit Seniorenkarte auch an einem Mittwoch fahren.

Ausgestattet mit genügend Wasser, mache ich mich am Morgen gemütlich auf den Weg. Knapp 80 km liegen vor mir. Da wir die Tour schon im vergangenen Sommer gemacht hatten, ist es kein fremdes Terrain für mich.

Noch ist es nicht so heiß. Die Wettervorhersage schreckt mich nicht. Auch wenn die Strecke nicht so viel Schatten bietet, kühlt der Fahrtwind doch recht angenehm. Ich habe Zeit, denn das Schiff geht erst um 16:30 Uhr. Aber man weiß ja nie…

Über einen großen Teil der Strecke wird mich der Radweg an der B9 entlang führen. Aber der Weg ist gut zu fahren und der Autoverkehr behindert mich nicht.

Im Rheinbogen kurz vor Boppard sehe ich von oben eine „Kormoran-Tauchschule“ – allerliebst! Die Jungvögel sind schon so groß, dass sie das Fischen lernen müssen. Es sind etwa 15 bis 20 Vögel. Im Nachhinein ärgere ich mich, kein Foto gemacht zu haben. Aber immer, wenn ich erstmal auf dem Rad sitze, kann ich mich nicht so recht zum Anhalten entschließen.

Kurz hinter Boppard auf der gegenüberliegenden Rheinseite Kamp-Bornhofen mit dem Wallfahrts- und Franziskaner Kloster und oberhalb den „Feindlichen Brüdern„, den Burgen Liebenstein und Starrenberg.

Dann Sankt Goar, die Durchfahrt ist immer ein bisschen nervig, wegen der vielen Touristen, die ein bisschen aufgescheucht auch mal unachtsam über den Weg laufen oder einen Parkplatz suchen. Man muss schon ziemlich aufpassen.

Kurz danach auf der anderen Seite die Loreley, immer wieder ein erhabener Anblick. Ich erinnere mich noch gut an einer Wanderung auf dem Rheinsteig, die uns dort hinaufführte – die sogenannte Königsetappe von Kaub nach Sankt Goarshausen.

Ich fahre durch bis zum Pfalzgrafenstein bei Kaub auf der gegenüberliegenden Rheinseite und mache ein Foto. Ich will es meinem alten Freund Peter schicken, mit dem ich diese Burg vor vielen Jahren einmal besucht hatte.

Eine knappe halbe Stunde später überhole ich „mein Schiff“ auf der Höhe von Trechtingshausen. Inzwischen konnte ich die B9 verlassen und radle durch die Rheinanlagen. Hier gibt es sogar ein Stückchen Strand. Wieder halte ich an für ein Foto. Es ist 14:21 Uhr. Ich habe also alle Zeit der Welt. Für einen Moment verweile ich im Schatten am Strand.

Dann geht es vorbei an der Burg Reichenstein und dem Campingplatz Marienort, der bei einer anderen Tour noch Bedeutung erhalten soll. Dann Burg Rheinstein, die ich in der Vergangenheit schon mehrfach besucht habe und deren Blick ich auch gut von Wanderungen auf dem Rheinsteig oder dem Rheinhöhenweg kenne. Mitten durch den Rhein verläuft hier die Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und Hessen.

Nicht mehr lange und ich erreiche das Binger Loch und den berühmten Mäuseturm. Der Name des ehemaligen Wachturms hat mit den kleinen Nagern gar nichts zu tun, sondern geht auf das mittelhochdeutsche Wort „Musen“ für Waschen oder Lauern zurück. Besichtigen kann man ihn normalerweise nicht. Die bekannteste Legende, die sich um den Mäuseturm rankt, ist die vom herzlosen Mainzer Bischof Hatto.

Dann kommt die Nahebrücke und ich bin am Rhein-Nahe-Eck und der Hindenburganlage, ein recht schöner Park mit Rheinpromenade. Hier muss ich absteigen, denn Radfahren ist hier verboten.

Im Restaurant „Riviera am Rhein“ gönne ich mir ein Stück Kuchen und einen Cappuccino. Anschließend setze ich mich auf eine Bank unter einem Baum und hole mir am Eiswagen noch ein Eis. Ich suche Schatten, denn es ist inzwischen deutlich über 30 Grad heiß, und ich habe noch über eine Stunde Zeit.

Vom gegenüberliegenden Rüdesheim mit dem Niederwald-Denkmal mache ich noch ein Foto. Ich will es Vitor, unserem brasilianischen Freund, schicken, mit dem wir einmal dort waren, lasse es dann aber doch, da das Handy-Foto auf diese Entfernung nicht so viel hergibt.

Pünktlich um 16:30 Uhr kommt die „Goethe“ von Rüdesheim herüber. Das Ticket hatte ich bereits per Handy gebucht. Einchecken, an Bord gehen, Fahrrad verstauen…

…dann such ich mir einen Platz auf dem oberen Vorderdeck. An einem Mittwoch im Juni ist es nicht voll, so dass ich einen Platz in der vorderen Reihe finde. Es ist herrlich, die Sonne, der Fahrtwind und die wunderbare Landschaft des Oberen Mittelrheintals, dem UNESCO Weltkulturerbe. Links und rechts ziehen die Weinhänge und Burgen an mir vorbei. Ich kenne sie nicht mehr alle beim Namen. Zum 75. Geburtstag meines Vaters hatte ich mal für ihn so etwas wie einen Reiseführer geschrieben. Aber das ist lange her. Ich genieße es einfach und mache noch ein paar wenige Fotos.

Das Schiff steuert immer wieder die Orte links und rechts des Rheins an. Passagiere steigen ein und aus. Als wir am Schloss Stolzenfels vorbeikommen, senkt sich die Sonne schon ein wenig. Dann Oberlahnstein und die Lahnmündung, und dann die Koblenzer Brücken.

Als wir unter der Pfaffendorfer Brücke durchfahren, betätigt der Kapitän des alten Raddampfers mehrfach das dunkle laute Horn. Eine Gruppe Jugendlicher oben auf der Brücke winkt fröhlich grölend und steht für einen Moment in einer Dampfwolke. Dann legt das Schiff planmäßig um 20:30 Uhr in Koblenz an.

Ich habe noch etwa 15 km, und ich muss mich beeilen, damit ich nicht im Dunkeln fahren muss. Insgesamt waren es etwas mehr als 90 km, die aber durch die lange Pause auf dem Schiff gut zu verkraften waren.

Dummerweise habe ich in Bingen meine Tour auf Komoot nicht beendet, sondern nur unterbrochen, so dass die Schiffspassage automatisch als eine lange gerade Linie aufgezeichnet wird und die gefahrenen Kilometer nun nicht mehr stimmen. Wieder was gelernt. Der Link auf Komoot ist von einer späteren Tour, die ich zusammen mit Robert gemacht habe.

Ich hatte großes Glück, denn der Rhein hatte schon relativ wenig Wasser und etwas später konnte die „Goethe“ mit ihren großen Schaufelrädern wegen des Niedrigwassers nicht mehr fahren. Ersatzweise wurde die „MS Asbach“ eingesetzt, aber das Schiffserlebnis ist nicht dasselbe.

Insgesamt eine tolle Tour, die wir immer wieder gerne machen.