16. Juni – Nach Diez
Am Freitag ist die Entscheidung gefallen. Endlich zeigen die Wettervorhersagen anhaltendes sommerliches Wetter voraus. Wir haben andere Termine in dieser Woche gestrichen oder verschoben und am Samstag und Sonntag unsere Ausrüstung gepackt.
Der Trailer ist beladen, die gepackten Fahrradtaschen an den E-Bikes angebracht und die Dry-Bags mit unseren Schlafsäcken, Luftmatratzen und Kopfkissen auf den Gepäckträgern oder dem Trailer festgezurrt.
Die E-Bikes sind aufgeladen und Ingrid und ich sind bereit für unsere Tour entlang der Lahn.
Unser erstes Zwischenziel ist die Lahnmündung bei Niederlahnstein und der Weg dorthin führt uns auf gut bekannter Strecke von Bendorf über Vallendar, Urbar, Ehrenbreitstein und Horchheim dorthin. An der Lahnmündung entsteht das erste Bild, dass du wahrscheinlich so oder so ähnlich schon häufiger gesehen hast.

Wir biegen ab in das Lahntal und schon wird es ruhiger. Unterwegs sprechen Ingrid und ich darüber, wie häufig wir hier schon entlang gefahren sind. Je weiter wir kommen, um so kleiner wird die Zahl der Male, die wir an der entsprechenden Stelle schon mal vorbei gekommen sind.
Auf dem Teilstück von Nassau in Richtung Diez sind wir bei der 1 angekommen, denn dort sind wir im September 2021 bei einer Zweitagestour von Weilburg nach Bendorf vorbei gekommen. Ingrid hat etwas Bedenken, weil das Höhenprofil in Richtung Kloster Arnstein ziemlich knackig aussieht. Ja, es geht bergauf und teilweise auch wieder bergab, aber die Realität stellt sich nicht so schwierig dar, wie das Profil glauben macht.
Bei einer Baustelle auf dem Radweg haben weitsichtige Menschen eine der gebräuchlichen „Sperren“ installiert. Sie soll wohl verhindern, dass dort mit höherer Geschwindigkeit durchgebrettert wird. Leider sind die beiden Bügel so eng angeordnet, dass ich keine Chance habe mit meinem einspurigen Trailer durchzukommen. Ingrid muss mir zu Hilfe eilen und den Trailer hinten etwas umsetzen. Gut gedacht aber leider schlecht gemacht. Ich stelle mir vor, welche Probleme dort entstehen, wenn Radler mit zweispurigen Anhängern durch müssen.
Kloster Arnstein lassen wir links liegen und es geht weiter nach Obernhof, wo wir eine erste Trinkpause einlegen.

Es geht weiter nach Laurenburg und dort beginnt dann der im März 2023 eröffnete neue Abschnitt zwischen Laurenburg und Geilnau. Früher gab es dort nur die Möglichkeit über den Berg via Holzappel und Scheidt zu fahren oder die Strecke von Laurenburg nach Balduinstein mit der Bahn zurückzulegen.
Jetzt sieht es dort so aus:


Der zum Teil neu angelegte Radweg und die beiden neu erbauten Brücken ermöglichen es die Strecke entlang des Flusses durch ein Naturschutzgebiet zurückzulegen.
Das haben die Verantwortlichen mal richtig gut hinbekommen! Geht doch!
Es geht weiter durch diese wunderschöne Flusslandschaft bis zum Campingplatz Oranienstein in Diez, wo wir unsere erste Übernachtung haben werden. Unser Lager ist schnell aufgeschlagen und da das Lokal am Platz Montags Ruhetag hat, gibt es eine in einer Gemüsebrühe gegarte Nudelsuppe. Mit viel Nudeln und wenig Brühe. Irgendwoher müssen die Kohlehydrate ja kommen.





17. Juni – Nach Wetzlar
Die erste Nacht im Zelt ist immer etwas ungewohnt und ich schlafe dann etwas unruhiger. Zumal eine Straße an dem Platz vorbei führt, auf der auch nachts mal ein Fahrzeug vorbei brummt.
Am Morgen höre ich einen Kuckuck rufen. Zuletzt habe ich den Ruf eines Kuckucks auf meiner Reise ans Kap Finisterre gehört. Auf den Campingplätzen in den Flusslandschaften der Mosel, der Maas, der Seine und der Loire wurde ich häufig von diesem Ruf begrüßt oder verabschiedet. Es tauchen Bilder dieser Reise vor meinem inneren Auge auf.
Und dann bin ich wieder im „Hier und Jetzt“. Wir packen unsere sieben Sachen und machen uns auf den Weg nach Wetzlar.
Gestern Abend haben wir noch im Internet recherchiert, wo wir heute wohl unser Frühstück einnehmen können und eine Bäckerei in Staffel ausgemacht. Das ist unser erstes Zwischenziel.
Nach diesem Abstecher geht es gestärkt lahnaufwärts und in Limburg überqueren wir für heute zum dritten Mal die Lahn. Von der Brücke haben wir einen unverstellten Blick auf den Dom, dessen Haupttürme leider eingerüstet sind. Einmal nach links wenden und von der selben Stelle aus bietet sich der Anblick des Brückenturmes.


Wir setzen unseren Weg fort und verlassen Limburg in Richtung Gießen. Kurz danach fahren wir durch Felder auf Dietkirchen zu, passieren die Kirche St. Lubentius und kurze Zeit danach Schloss Dehrn. Wenige Kilometer weiter folgen wir dem Lahnbogen rund um den Dehrner Auwald und die Dehrner Teiche. Endlich wieder Natur. Ein Platz, der sich für eine Trinkpause anbietet.



Die nun folgende Teilstrecke bis Weilburg hat einen ähnlichen Charakter, wie das untere Lahntal. Wir radeln also entlang der Lahn und passieren Dehrn, Steeden, Runkel, Villmar, Aumenau, Fürfurt und Gräveneck. Kurz vor Weilburg, bei der Anfahrt auf Kirschhofen bietet sich noch einmal ein besonders malerisches Bild. Links ein Stauwehr der Lahn und rechts der Eingang zu einem der vielen Tunnel der Bahn nach Weilburg. Kurz danach erreichen wir Weilburg und direkt am Ortseingang sehen wir einen Tunnel der besonderen Art. Einen Schiffstunnel mit Schleuse, der gerade von Freizeitpaddlern passiert wird.



Kurz hinter Weilburg, bei Löhnberg queren wir abermals die Lahn und es bietet sich ein malerischer Blick auf alte Speicherhäuser die zusammen mit der dort befindlichen Staustufe ein schönes Bild ergeben.


Danach mutiert der Lahn-Radweg mehr zu einem B49-Radweg, der über mehrere Kilometer entlang dieser viel befahrenen Bundesstraße führt. Dieser krasse Gegensatz zu den lieblichen bisher durchfahrenen Landschaften hält an, bis wir Wetzlar erreichen. Einziger Lichtblick ist ein ehemaliges Industriegebäude (wahrscheinlich ein Wasserkraftwerk), auf dessen Schornstein sich ein Storchennest befindet.

Wir erreichen den Campingplatz in Wetzlar und haben Glück. Das zum Platz gehörige Restaurant hat Ruhetag, aber an der Rezeption gibt es „Pfefferbeißer“ im Angebot. Also gibt es etwas später unsere Nudelsuppe mit Einlage. Was für eine Abwechslung!
Der Platz ist sehr schön, die sanitären Anlagen recht modern und so fühlen wir uns hier wohl, obwohl es auch hier den unvermeidbaren Lärm unserer Kultur gibt. Aber eben auch den Kuckuck, der uns auch hier mit seinem Ruf begrüßt und erfreut.
Ein holländisches Ehepaar, dass ebenfalls mit den Rädern unterwegs ist, fragt an, ob sie sich zum Aufladen ihres E-Bikes an unsere Mehrfachsteckdose anschließen dürfen. Das erlauben wir gerne.
18. Juni – Nach Marburg
Wir haben uns am Vorabend an der Rezeption belegte Brötchen und je ein gekochtes Ei für das Frühstück bestellt. Ich ziehe also nach der Morgentoilette erst einmal los und hole unsere Brötchen und lasse unsere beiden Getränkebecher mit Cappuccino füllen. Wir richten uns an unserem Campingtisch gemütlich ein und frühstücken in aller Seelenruhe während um uns herum schon emsig abgebaut und verpackt wird. Wir haben es nicht eilig.
Nach dem Frühstück schlagen wir dann ebenfalls unser Lager ab und machen uns bereit für die Weiterfahrt.
Die Strecke verläuft recht eintönig über Felder und Wiesen. Abwechslung bringen lediglich Baustellen, bei denen wir mehr oder weniger elegant umgeleitet werden. Das ändert sich auch nicht bis Gießen. Am Stadtrand bietet sich eine Bank um einen schattenspendenden Baum für eine erste Trinkpause an.

Danach durchfahren wir Gießen und werden am Lahnufer in der Innenstadt Zeugen für den Aufbau eines Festes mit Fahrgeschäften, Eis- und Trinkbuden und allem, was sonst noch so dazugehört. Wir sind keinen Tag zu früh, denn wenn dieses Fest hier mal in Gang ist, gibt es sicher kein Durchkommen.
Der weitere Weg hinter Gießen bleibt durch Ortschaften wie Wieseck und Lollar geprägt. Kein Futter für das Auge schon schon gar nicht fürs Gemüt. Und auch hinter Lollar bleibt die Landschaft ziemlich eintönig.

Unterwegs sehen wir das holländische Ehepaar vor uns fahren. Die beiden sind zwar früher losgefahren, aber er ist mit einem normalen Tourenrad unterwegs und da ist das schwierig hohe Durchschnittsgeschwindigkeiten zu erreichen. Wir sind ziemlich flott unterwegs und da die Fahrstrecke heute nur 50 km beträgt, erreichen wir gegen 15 Uhr den Campingplatz Lahnaue in Marburg.

In der Nähe des Platzes befindet sich ein großes Freibad und es gibt auch ein geöffnetes Lokal direkt am Radweg: Aldis Biergarten. Wir trinken dort erst mal ein kühles Bier bzw. eine Johannisbeerschorle und bestellen uns eine Folienkartoffel mit Sourcreme und Salatbeilage.
Auf dem Campingplatz bekommen wir einen Platz auf der Zeltwiese zugewiesen und treffen dort das holländische Paar wieder, die andernorts Rast gemacht hatten und nun vor uns eingetroffen war.
Außerdem ist ganz in der Nähe ein Ehepaar mit ihren drei Jungs, die gerade dabei sind ihr Lager aufzuschlagen. Heringe mit einer Flasche in den Boden treiben zu wollen ist keine gute Idee. Ich leihe dem Vater meinen Campinghammer, den ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht brauche. Ingrid ist inzwischen zur Dusche entschwebt und kehrt mit der Botschaft zurück, dass es am Platz Probleme mit Waschbären geben soll.
Wir hatten gerade einen dieser putzigen Zeitgenossen im Uferbereich der Lahn beobachtet. Er war genüßlich dabei etwas aus einer Verpackung zu holen und zu futtern. Ob er den Inhalt samt Verpackung stibitzt oder jemand das unachtsam entsorgt hat, werden wir nie erfahren. Als das allgemeine Interesse an ihm zu groß wird, sucht er das, was man gemeinhin das Weite nennt.
Ingrid eröffnet mir, dass sie schon in den beiden letzten Nächten Muskelschmerzen hatte und sie besorgt ist, ob sie den Anstieg zur Lahnquelle im Rothaargebirge bewältigen kann. Ausserdem wäre das laut unserer Planung (wir wollen von der in der Nähe liegenden Siegquelle die Sieg abwärts fahren) eine Tagesetappe von 80 km. Die Campingplätze an der Sieg sind leider rar.
„Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum.“
Zum Abendessen kehren wir also zu Aldis Biergarten zurück, wo wir nachmittags die Folienkartoffel zu uns genommen haben. Während wir auf das Essen warten, beginne ich mit der Planung für den Rückweg. Ingrid würde gerne die Distanz, die wir hierher in drei Tagen zurückgelegt haben, auf vier Tage strecken und damit kürzere Tagesetappen erreichen.
Das Ergebnis: Die Planung sieht nun Übernachtungen in Wetzlar, Runkel und Laurenburg vor.
Gut genährt und zufrieden mit unserem neuen Plan ziehen wir uns in unsere „Gemächer“ zurück. Was wir in den beiden Nächten zuvor nur störend empfanden, wurde nun eher zum Härteprobe. Der Platz liegt mehr oder weniger direkt an Eisenbahnstrecke und vor allem der Bundesstraße 3, die hier wie eine Autobahn ausgebaut und entsprechend frequentiert ist.
19. Juni – Zurück nach Wetzlar
Am nächsten Morgen verabschieden wir uns von dem holländischen Ehepaar, dass die Weiterreise nach Bad Laasphe und weiter entlang der Sieg bis zum Rhein mit den selben Übernachtungsplätzen wie wir geplant hat.
Wir suchen uns zunächst mal eine Bäckerei, in der wir gemütlich Frühstücken können. Dann machen wir uns auf den Weg in Richtung Heimat. Unser heutiges Ziel ist also Wetzlar und da es Donnerstag ist, wird auch das dortige griechische Lokal geöffnet sein. Ich freue mich schon auf deren Spezialitäten.
Eigentlich erwartet man andere Perspektiven, wenn man einen Weg in entgegengesetzter Richtung fährt.
Fehlanzeige: Abgesehen von der Burg Gleiberg gibt es nichts wirklich Neues zu entdecken.

Allerdings habe ich die Route für heute so gewählt, dass wir nicht durch Lollar fahren müssen und in Gießen wegen des besagten Volksfestes eine Umleitung des Radweges durch die Weststadt nutzen. In Wetzlar angekommen checken wir ein und packen unsere Zeltausrüstung aus. Der Platz ist stark frequentiert, da er auch sehr gerne von Menschen genutzt wird, die mit Kanus oder Kajaks auf der Lahn unterwegs sind.
Die Familie aus Marburg trudelt ebenfalls dort ein und die vorhandene Community bekommt langsam einen Touch von Familie. Ich mache es mir mit einem kühlen Bier im Beachclub gemütlich.

Wir ordern für den nächsten Morgen wieder belegte Brötchen und zwei gekochte Eier. Für 18 Uhr haben wir uns einen Tisch beim Griechen bestellt und lassen den Abend dort gemütlich ausklingen.
20. Juni – Eigentlich nach Runkel – weiter nach Diez
Unsere Zeltnachbarn sind schon eifrig dabei sich auf die weiteren Touren des Tages vorzubereiten. Die einen mit ihren Kajaks und die anderen mit ihren Rädern. So, wie auch wir. Allerdings wird zuerst einmal in Ruhe gefrühstückt.
Nachdem wir unser Lager abgeschlagen haben, gibt es noch einen letzten Blick auf unseren Platz. Es sieht so aus, als hätten wir nichts vergessen und wir machen uns auf den Weg nach Runkel.
Erstes Zwischenziel ist Weilburg. Wie schon auf der Hinfahrt ein sehenswerter Ort, den wir nun aus einer anderen Perspektive erleben.

Kurz hinter Weilburg machen wir eine kleine Trinkpause. Auf der Lahn herrscht reger Schiffsverkehr. Jede Menge Menschen sind bei dem schönen Wetter mit Kanus und Kajaks auf dem Fluss unterwegs.


Bei der Weiterfahrt nach Runkel kommen wir an einigen Felsformationen vorbei und die knorrigen Bäume auf diesen Felsen erinnern mich an eine Wanderung auf dem Edersee-Urwaldsteig. Schließlich erreichen über eine schöne, alte Brücke den Ort Runkel.



Der Campingplatz in Runkel gefällt uns nicht. Wir machen uns schlau, wo denn der nächstgelegene Campingplatz ist und werden in Limburg fündig. Dieser Platz liegt in unmittelbarer Nähe einer Brücke der A3, die dort das Lahntal überspannt. Wir wollen kein Risiko eingehen und entschließen uns wieder in Diez zu übernachten.
Zur Abwechslung auf den Campingplatz „Neues Mühlchen“. Leider wird auch daraus nichts, da es nicht einmal so etwas wie eine Rezeption gibt. Also checken wir wieder auf dem Campingplatz Oranienstein ein.
Nach dem Abendessen genießen wir noch an unserem Platz die vielen Kinder, die auf den Wegen mit so ziemlich allem unterwegs sind, was irgendwie rollt. Pure Entdeckerlust und Ausdruck von Lebensfreude. Die Kids werden in der kommenden Nacht sicher gut schlafen.
Wir hoffentlich auch.
21. Juni – Gemütlich nach Hause
Entgegen unserer neuen Planung wollen wir heute wieder nach Hause fahren. Morgen sollen es annähernd 40 Grad werden und heute ist es noch 6 Grad „kühler“. Also: Pobacken entspannt auf dem Sattel platzieren und losradeln.
Vorher gibt es aber noch ein leckeres Frühstück im Café Raths. Dann starten wir für die gut 70 km nach Hause durch.
Wir befinden uns wieder im malerischen Teil des Lahntals und passieren bei Altendiez diese imposante Felswand.

Zwischen Obernhof und Nassau bleiben wir auf der Bundesstraße 417, die über weite Strecken einen Radstreifen aufweist. Außerdem ist es Samstag und damit vor allem kein LKW Verkehr. Auf diese Weise vermeiden wir die extreme Steigung hinauf zum Kloster Arnstein.
In Dausenau ergibt sich noch ein schöner Blick auf den alten Ortskern, den ich im Bild festhalte.

Bevor wir die Lahnmündung erreichen machen wir eine Rast bei „Tante Lenchen“ am Lahnbogen bei der Schleuse Ahl. Es gibt ein ordentliches Stück Kuchen und den üblichen Cappuccino. Danach geht es dann auf dem bereits mehrfach befahrenen Weg nach Hause.

Diese Mehrtagestour führte uns innerhalb von sechs Tagen entlang des Rheins und der Lahn bis nach Marburg und wieder zurück. Ingrid und ich sind uns einig, dass der wirklich schöne Teil dieser Tour im unteren Teil des Lahntales bis einschließlich Diez liegt.
Die einzelnen Tagesetappen kannst du der folgenden Sammlung entnehmen.