Fahren wie auf Schienen – Der Sauerland-Achter

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Im März 2021 finden wir im ADFC-Magazin eine Tourempfehlung für den „SauerlandRing“. Zusammen mit der sogenannten „Hennesee-Schleife“ sieht die Tour aus wie eine Acht und wird deshalb eben auch „Sauerland-Achter“ genannt.

Die Tour ist insgesamt etwa 120 km lang und führt in großen Teilen über ehemalige Bahntrassen, was für erträgliche Steigungen bürgt. Anfang des 19. Jahrhunderts sollte die Bahnstrecke die Industrie im Sauerland ankurbeln. 93 Minuten soll die Eisenbahn im Jahr 1911 von Lennestadt nach Wenholthausen bei Eslohe benötigt haben. Wir werden sicher länger brauchen.

Die Strecke führt uns abseits vom Straßenlärm, überwiegend auf gut asphaltierten Wegen, mitten durch die Berglandschaft des Sauerlandes, dem „Land der tausend Berge“. Ein berühmtes Highlight ist der 689 Meter lange Kückelheimer Fledermaustunnel. Er beheimatet Bartfledermaus, Großes Mausohr, Wasserfledermaus und Braunes Langohr. Die Fledermaus stand auch Pate für das Routenlogo. Wer genau hinschaut, kann den Umriss einer Fledermaus erkennen.

Sofort spricht uns die Tourempfehlung an, zumal ich (Ingrid) Teile des Sauerlandes aus meiner Jungend in Dortmund kenne. Oft sind wir in die Berglandschaft zum Wandern oder zum Baden an einen der diversen Stauseen gefahren. Allerdings hat das heutigen Sauerland nichts mehr mit dem der 1960er und 1970er Jahre gemein. Wo heute malerisch schöne Häuser und Gasthöfe sowie herausgeputzte Örtchen zu finden sind, erinnere ich mich eher an graue, von Kleineisenindustrie geprägte Orte. Lenne und Ruhr luden eher nicht zum Baden ein.

Tag 1 / 26. Juni 2021

Wir starten unsere Tour mitten in der Corona-Zeit. Das Hotel, das wir über booking.com gebucht hatten, verlangte einen aktuellen Test. Wir fahren also gleich morgens in Darmstadt zum Testen. Mit Roberts Ergebnis gibt es irgendwelche Probleme, so dass er in der Sauerlandhalle in Altenhundem, von wo aus wir starten wollen, noch einmal einen Test durchführen muss, der dann aber glücklicherweise sofort klappt und auch negativ ist.

Wir lassen also unser Auto in Altenhundem, einem Ortsteil von Lennestadt, auf dem Parkplatz in der Nähe der Sauerlandhalle stehen und schwingen uns auf die Räder. Nach einem Kreisverkehr fahren wir im Uhrzeigersinn entlang der Lenne.

Die Lenne entspringt im Rothaargebirge, nahe Winterberg und dem Kahlen Asten. Die Quelle haben wir vor etlichen Jahren mal auf einer mehrtägigen Wanderung auf dem Rothaarsteig besucht. Bei Hagen mündet sie unterhalb der Hohensyburg, in die Ruhr und spülte früher deutlich sichtbare gelbe Brühe hinein. Den Grund dafür fand ich in dem hier verlinkten Beitrag des NABU. Erfreulicherweise ist seit einigen Jahren ein großes Renaturierungsprojekt im Gange, das auch bereits Erfolge zeigt: Es gibt wieder Fische in der Lenne!

Nach etwa 6 km, kurz vor dem Örtchen Theten, gelangen wir an den vom Essener Bildhauer Roger Löcherbach geschaffenen Skulpturenpark „Lennestrand“. Jede Figur ist aus einem einzelnen Holzstamm gehauen. Der Künstler sagt über die Figurengruppe: „Meine Skulpturen baden im Leben: kopfüber, kopfunter, nachdenklich, diesseitig, glücklich, visionär, verspielt…“. Wir sind fasziniert und können gar nicht aufhören, die einzelnen Figuren zu fotografieren.

Kurz darauf wechseln wir die Flussseite und fahren ein Stück durch den Ort Grevenbrück, vorbei am dortigen Bahnhof. Bis Burghausen trennen uns die Gleise von unserer Begleiterin, der Lenne. Dann wechseln wir wieder ans andere Ufer und radeln durch das Burghauser Holz.

Immer wieder einmal müssen wir die Flussseite wechseln. Schließlich gelangen wir nach Finnentrop. Im Finnentroper Ortsteil Lenhausen treffen Lenne und Bigge aufeinander. Hier verlassen wir die Lenne und machen zunächst so etwas wie eine Kehrtwende. Das Gelände wird nun hügelig.

Nach einer Weile erreichen wir den oben bereits erwähnten Kückelheimer Fledermaustunnel. Er verbindet den Finnentroper Ortsteil Fehrenbracht mit Kückelheim. Es wird kühl, und wir müssen eine Jacke anziehen. Bei seiner Länge von 689 Metern ist er natürlich beleuchtet. Es ist trotzdem eine spannende Erfahrung. Fledermäuse sehen wir aber leider nicht.

Bald erreichen wir Eslohe. Ein berühmter Sohn der Stadt ist der Ingenieur und Brückenbauer Johann August Roebling, der als Konstrukteur der New Yorker Brooklyn Bridge weltbekannt wurde. Eine Gedenktafel ziert sein ehemaliges Wohnhaus.

Kurz hinterm Esloher Ortsteil Sallinghausen biegen wir nach rechts ab, und wechseln nach einer Querspange durch das Wennetal auf die „Henneseeschleife“. Nun fahren wir entgegen dem Urzeigersinn. Bei Bremke queren wir die Wenne und passieren noch einige Ortschaften. Ab Erflinghausen begleitet uns dann das Flüsschen Wipper direkt zur Hennetalsperre.

Wir folgen dem Ufer der Talsperre, die ähnlich einem Fluß durch ein Nebental der Ruhr mäandert. Kurz vor Meschede mache ich noch ein paar Fotos. Ich will sie meinem Cousin Klaus schicken. Hier trafen wir uns immer zum Geburtstag meines Onkels, in etwa auf der Hälfte zwischen Dortmund und Darmstadt.

In Meschede queren wir ein paar Mal das Flüsschen Henne und stoßen auf die Ruhr, die wir ebenfalls mehrfach queren, aber bald wieder verlassen. Ab hier radeln wir dann auch wieder in die gegengesetzte Richtung, denn wir haben bereits die Hälfte der „Henneseeschleife“ absolviert. Durch den Mescheder Ortsteil Stockhausen und vorbei an Wennemen und Bockum erreichen wir Freienohl, den zweitgrößten Stadtteil von Meschede. Hier treffen wir auch wieder auf die Ruhr.

Und hier endet für heute unsere Fahrt. 75 km und 590 hm durch wunderschöne Landschaft haben wir in den Beinen und sind im wahrsten Sinne des Wortes rechtschaffen müde.

Nachdem wir unsere Corona-Tests nachgewiesen haben, finden wir im „Hotel Luckai“ freundliche Aufnahme, ein gemütliches Zimmer und ein gutes Abendessen. Corona-bedingt ist alles ein wenig improvisiert, aber es gibt Schlimmeres. Eine große Garage, in der wir unsere Räder aufladen können, teilen wir uns mit einer fröhlichen Gruppe Motorradfahrer. Es ist Platz genug für alle.

Tag 2 / 27. Juni 2021

Nach einer angenehmen Nacht und einem guten Frühstück machen wir uns bereit für die Weiterfahrt. Auch die Biker sind schon fit. Wir lassen Ihnen in der Garage erst einmal den Vortritt, so können wir stressfrei unsere Räder wieder beladen.

Heute sind es nur knapp 60 km. Ein kurzes Stück folgen wir der Ruhr, dann der Wenne durch ihr schönes Tal. Teilweise verläuft unsere Route parallel zum Ruhrtalradweg. Bei Sallinghausen haben wir wieder unsere Querspange erreicht und wechseln von der „Henneseeschleife“ auf den „SauerlandRadring“, den wir nun im Uhrzeigersinn fahren.

Bis Frielinghausen begleitet uns weiterhin die Wenne, dann – teilweise mit etwas Abstand – das Flüsschen Leiße. Allerdings heißt es nun für uns, im Gegensatz zu den Flüssen: stetig bergauf.

Bei Bad Fredeburg haben wir den höchsten Punkt unserer Tour erreicht und schon mehr als die Hälfte der Tagesstrecke hinter uns gebracht. Von nun an geht’s (überwiegend) bergab. Bei Gleidorf haben wir dann auch wieder bis zum Ziel die Lenne an unserer Seite.

Altenhundem ist erreicht. Gepäck verstauen, Räder auf’s Auto, ab nach Hause. Es war wirklich eine schöne Tour durch eine malerische Landschaft. Immer wieder wurden wir an die bahnhistorische Vergangenheit dieser Gegend erinnert: ehemalige Bahnhöfe, Dampfloks, Waggons, ausgediente Signalanlagen und Infotafeln. Neben der Nostalgie ist es aber auch schön zu sehen, wie sich die Orte des Sauerlandes zum Positiven verändert haben.

Ob wir diese Tour noch einmal wiederholen? Möglich wär’s. Aber dann machen wir mehr Fotos. Versprochen!