Auf Spuren des „Alten Fritz“

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Freitag, 04.08.2017

Nach unserem Cappuccino-Stückchen-Frühstück beim netten Bäcker in der Hauptstraße schwingen wir uns auf die Räder. Heute steht die große Begegnung mit Opas Geburtsort Szieszkrant, an. Ich bin ziemlich aufgeregt. Was wird mich wohl erwarten?

Szieszkrant liegt auf der Insel Russ, die sich durch die Verzweigung der Memel gebildet hat. Die Memel heißt hier litauisch Nemunas und verzweigt sich in die Hauptmündungsarme Atmata und Skirwieth. Unmittelbar entlang Nemunas und Skirwieth verläuft die Grenze zur russischen Oblast Kaliningrad.

Wir passieren stadtauswärts die kleine Brücke über das Flüsschen Sziesze (litauisch: Sysa), das ab hier schiffbar wird und nach etwas 5,5 km in die Atmata, den nördlichen Mündungsarm der Memel, fließt. Weiter durch flache Landschaft, gelangen wir zur Brücke über die Atmata. Wir queren sie und gelangen an den Eingang des Ortes Russ.

Um nach Szieszkrant zu gelangen, müssen wir uns rechts halten und ein paarhundert Meter parallel zur Atmata radeln.

Dann: ein paar verwitterte Häuser, Bauernhäuser – die Zeit scheint stillzustehen.

Das ist also der Ort, an dem mein Großvater vor mehr als 130 Jahren geboren wurde. Ich werde ganz still, bin zutiefst berührt und überglücklich, hier zu sein und auch ein bisschen stolz. Ein Storch fliegt unmittelbar über unsere Köpfe hinweg.

Hier ist nichts mehr, was an die Familie Schaguhn erinnern könnte. Hier ist nicht mehr Ostpreußen und das Memelgebiet, hier ist jetzt Litauen, das bis 1990 Sowjetrepublik war. Was aus den verbliebenen Familienmitgliedern geworden ist, weiß ich nicht. Für die Fragen, die ich nie gestellt, aber heute vielleicht habe, ist es zu spät.

Nach kurzem Innehalten radeln wir weiter durch flaches grünes Land, das immer wieder von Gräben, kleinen Flüsschen, Teichen und Wasserbecken durchzogen ist, und gelangen nach Uostadvaris (früher: Kuwertshof). Hier befindet sich ein kleiner Hafen, ein Leuchtturm, ein kleines Museum sowie die Mündung der Atmata in das Kurische Haff.

Nach kurzem Aufenthalt und Rettung einer kleinen noch nicht flugtüchtigen Schwalbe, die mitten auf der Straße saß, radeln wir weiter. Es geht nun wieder Richtung des Städtchens Russ, entlang der Pakalne, einem weiteren kleinen Mündungsarm, der quer über die Insel verläuft. Angesichts des vielen Wassers ist es kaum verwunderlich, dass dieses Stück Land immer wieder überflutet wurde und noch wird.

In Russ besichtigen wir die kleine evangelische Kirche, die die älteste Kirche im Memelland sein soll und in der, wenn ich die Eintragungen im Familienbuch richtig interpretiere, mein Urgroßvater getauft wurde. Auch das alte Gemeindehaus steht noch.

Unweit der Brücke kehren wir im Gasthof „Prie Peterso Tilto“ ein, es ist schon früher Nachmittag. Wir treffen ein Radlerpaar, das über Polen und Kaliningrad hierher gekommen ist. Wir hatten uns diesen Reiseweg aufgrund der Visa-Formalitäten mit Rußland erspart und sind nach den Berichten auch nicht traurig darüber.

Gestärkt geht es wieder über die Brücke. Sie wurde 1974 ca. 400 m nördlich der im Oktober 1944 durch die deutsche Wehrmacht gesprengten „Petersbrücke“ erbaut.

Zurück auf dem Festland machen wir noch einen kurzen Stopp bei der ehemaligen Moorkolonie „Bismarck“. Walter Wallenschuss haben wir nicht getroffen, nur ein paar Ziegen. Ob er noch lebt?


Hier die Tourinformationen: